Pressemeldung

Babyboom im Kinderheim durch Armut und Verzweiflung

Frauen lassen Neugeborene im Krankenhaus Bihac zurück — Verein Schutzengel gesucht ist weiter auf Unterstützung angewiesen

Weihnachten und Neujahr ist für die Bediensteten im Kinderheim Haus Regenbogen des Vereins Schutzengel gesucht in Kulen Vakuf Stress pur. Viele bosnische Menschen, die zwischen den Feiertagen in ihre Heimat im Großraum Bihac fahren, besuchen das Centar Duga und bringen Geschenke für die dort behüteten „vergessenen Kinder“ vorbei. Und die Kinderarche, die hauptsächlich von Spendengeldern aus Deutschland finanziert wird, wird dringender denn je benötigt.

NEUMARKT — In vielen Städten in Deutschland gibt es an den Krankenhäusern Babyklappen, in denen unerwünschte Kinder abgegeben werden können. In Bosnien und Herzegowina gibt es das nicht. Aber es gibt auch dort viele verzweifelte Frauen, die ihre Kinder nicht annehmen wollen. Im Zentralkrankenhaus in Bihac beispielsweise wurden jetzt innerhalb weniger Monate fünf Neugeborene zurückgelassen, wie "Schutzengel"-Vorsitzender Günter Prantl berichtet. Nur wenige Tage später, nachdem sie das Licht der Welt erblickt hatten, fanden sie im Haus Regenbogen eine Bleibe.
 

Kinder von Kindern

Es sind Kinder von vergewaltigten Frauen. Es sind Kinder von Kindern. Es sind Kinder von Müttern, die einfach so arm sind, dass sie keine Zukunftsperspektive für ihren Nachwuchs sehen: Die Frauen haben oft keinen Partner, der zu ihnen steht, sie haben kein Einkommen. Kein Wunder, denn die Quote der Arbeitslosigkeit beträgt im Kanton Una-Sana rund 60 Prozent.

Noa, ein Mädchen, kam zwei Tage nach ihrer Geburt nach Kulen Vakuf. Nach einem Großbrand im Zentralkrankenhaus Bihac am 25. Juli vergangenen Jahres war auch die Kinderstation zerstört. Kein Platz mehr für Kinder. Centar Duga hilft.

Nejla folgte. Sie kam in das "Schutzengel"- Heim, obwohl sie krank und noch behandlungsdürftig war. Die drei Krankenschwestern, die in Centar Duga arbeiten, kümmern sich auch fachlich um sie. Die Kinderärztin aus dem Krankenhaus kommt regelmäßig vorbei. Die Mutter von Nejla ist psychisch krank, der Vater unbekannt. Und die Großmutter sagt, dass sie es nicht schafft, neben der belasteten Tochter auch noch ein Neugeborenes zu versorgen: „Ich habe weder die Kraft noch Geld.“ Mak, geboren am 21. August, wurde am 22. August von Jasminka Vajsovic, der pädagogischen Leiterin des Haus Regenbogen in Bihac abgeholt. Die Mutter hat zwei weitere Kinder und sieht sich nicht in der Lage, den Nachzügler groß zu ziehen. Sie hat den Jungen im Krankenhaus gelassen, ohne ihm einen Namen zu geben. Das erledigte das Sozialamt. Ein Verwaltungsakt. Der Vater ist unbekannt. Mak hat mittlerweile Adoptiveltern gefunden.

Endi, geboren am 31. August, kam am 5. September in das Kinderheim. Seine Mutter lebt mit einem weiteren Kind und ihrem Partner in einer drei Mal vier Meter kleinen Holzhütte ohne Strom- und Wasseranschluss. Sie arbeitet als Kellnerin und hatte schon vor der Geburt beschlossen, dass sie das Neugeborene zur Adoption frei geben will. 

„Wir würden uns bemühen, die wohnliche Situation von Endis Mutter zu verbessern“, sagt Günter Prantl, der Vorsitzende des mildtätigen Vereins Schutzengel gesucht: „Die Mutter müsste sich aber melden“, so Prantl, denn „ein bisschen Eigenverantwortung und persönliches Engagement müsste schon sein.“ Und dann ist da ein noch immer namenloses Kind. „Beba“ (Baby) sagen die „Tetas“ (Tanten), die Pflegekräfte, zu dem Jungen. Die Heimleitung hat auch keine weiteren Informationen über die Herkunft des Kindes.

Rund 250 000 Euro benötigt der Verein Schutzengel gesucht jährlich, um das Kinderheim weiter betreiben zu können. Rund ein Drittel des Betrages wird mittlerweile in Bosnien und Herzegowina gesammelt. Und so freut sich der Verein weiter über jeden Euro, der hier für die "vergessenen Kinder" in dem Balkan-Land gesammelt wird, über jede Aktion, die an Schulen oder an Kindergärten durchgeführt wird. nn

Quelle Neumarkter Nachrichten online, 11.1.2014