Meldung

Praktikum im Kinderheim <b><i>Centar Duga</i></b>

Steffi Lang berichtet

KASTL. Schon seit einiger Zeit fragt sich Steffi Lang, ob sie nach ihrem Abitur einen Beruf im sozialen Bereich ergreifen soll. Sie war sich aber nicht sicher, ob sie den Anforderungen auch gewachsen sein würde. Wo könnte man das wohl besser herausfinden, als in einem Land, wo Leid und Armut noch zum Alltag gehören. „Das war eine totale Schocktherapie“, sagt Steffi und ist sich sicher, dass sie ihren Aufenthalt in Bosnien so schnell nicht vergessen wird.

Das Neumarkter Tagblatt sprach mit der 20jährigen über ihre Erlebnisse als Praktikantin im Kinderheim Centar Duga von Schutzengel gesucht, das 1999 in Kulen Vakuf in Bosnien auch mit Spenden aus der Region Neumarkt gebaut wurde.

Zum Jahreswechsel jährte sich der 10.Jahrestag des Friedensvertrags von Dayton, der den Krieg in Bosnien offiziell beendete. Haben Sie noch Auswirkungen dieses Bruderkrieges gespürt? Steffi Lang: Die Zeichen dieses Krieges waren noch überall zu sehen, aber ich erkannte sie anfangs nicht als solche. Erst als ich die Erlebnisse der Menschen hörte, konnte ich eine reelle Verbindung herstellen und mir wurde da erst so richt bewusst, was diese Menschen während des Krieges hier durchmachen mussten. Welche Unterschiede bemerkten Sie im Alltag der Menschen in Kulen Vakuf zu uns? Vor dem Krieg lebten in dem Ort, wo das Kinderheim steht, cirka 3000 Menschen, jetzt sind es nur noch 300. Die meisten sind Muslime. Ich dachte, die Frauen würden alle ein Kopftuch tragen, aber ich sah keine einzige damit. Zufällig war auch noch der Fastenmonat „Ramadan“, bei dem man bis Sonnenuntergang nicht essen darf. Aber auch daran hält sich so gut wie niemand mehr. Hatten Sie auch Kontakt zu den Jugendlichen im Ort? Ich wurde sofort von den jungen Leuten eingeladen und herzlich aufgenommen. Wir haben uns auf deutsch oder englisch verständigt und sehr viel gemeinsam unternommen. Die Jugendlichen sind total perspektivlos, haben keinen Job. Wenn mal einer Arbeit hat, dann nur als Kellner. Eigentlich möchten die meisten ihre Heimat verlassen. Wie gehen die Jugendlichen mit ihrer jüngsten Geschichte, dem Krieg, um? Das Thema wird oft musikalisch verarbeitet. In modernen HipHop-Liedtexten versuchen sie, mit dem Erlebten fertig zu werden. Ich hab mir einige Liedtexte übersetzen lassen und war erstaunt, wie offen sie damit umgehen. Einige haben mir ihre persönliche Geschichte erzählt, andere wollten überhaupt nichts sagen. Wie haben Sie im Gegensatz dazu das Kinderheim Centar Duga erlebt? Das Kinderheim ist einfach super. Der Tagesablauf ist total durchgeplant und perfekt organisiert, damit die Kinder immer ihren gewohnten Rhythmus haben. Besonders fiel mir die ruhige Atmosphäre im Heim auf. Beim Wickeln wird dem Baby von jeder Erzieherin immer das gleiche Lied vorgesungen. Aber jedes der Kinder hat auch sein eigenes Schicksal. Als ich davon erfuhr, ging mir das sehr zu Herzen. Neben dem Kinderheim betreut Schutzengel gesucht auch bedürftige Familien in der Region. Wie haben Sie die Situation der Familien erlebt? Von dieser Armut der Menschen war ich total schockiert. Ich merkte, wie viele Menschen keine Lebenskraft mehr haben. Sie leben eigentlich nicht mehr, sondern existieren nur noch. Wenn aber eine Familie schon Hühner und einen Garten hat, geht es ihnen schon etwas besser. Dann können sie sich zumindest teilweise selbst versorgen. Bei den regelmäßigen Besuchen von Sabina, der Frau des Heimleiters, durfte ich mitfahren. So erlebte ich, wie direkte Hilfe vor Ort aussieht und wie dankbar diese Menschen für jedes Lebensmittelpaket sind. Was konnten Sie aus diesem Praktikum für sich persönlich mitnehmen? Durch den Aufenthalt im Kinderheim habe ich erlebt, wie traumatisierten Kindern durch richtige Betreuung geholfen werden kann. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich einen Beruf im sozialen Bereich machen werde.

Interview: Rosi Sippl